Digital Studieren

von Daniela Klampfl

Seit mittlerweile über einem Jahr befinden wir uns in der Welt der Online-Lehre. Was im Januar 2020 noch absurd geklungen hat, wurde von einem Tag auf den anderen zur Realität. Vorlesungen im Bett schauen, ein Laborpraktikum, ohne jemals die Universität zu betreten und Prüfungen im Wohnzimmer absolvieren – drei Situationen, die ich mir vor eineinhalb Jahren nicht einmal hätte vorstellen können.

 

Live-Vorlesung vs. Aufzeichnungen

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten haben sich Online-Vorlesungen im letzten Jahr immer mehr bewährt. Die Möglichkeit, bei Unklarheiten das Video erneut abzurufen, gibt Studierenden die Chance, den Stoff besser zu verstehen. Ein großer Vorteil dieser Art von Lehre ist, dass man weder örtlich noch zeitlich gebunden ist. Dies ist jedoch gleichzeitig der größte Nachteil: Vielen Studierenden fehlt bei dieser Art der Lehre die Motivation. In Präsenz hat man neben einer interessanten Vorlesung auch noch den Mehrwert, seine Kolleg*innen anzutreffen und sich direkt vor Ort auszutauschen.

Die Interaktion mit dem/der Vortragenden ist ein großes Problem in der Online-Lehre: Vielen Studierenden ist es unangenehm, den/die Dozent*in mitten im Vortrag zu unterbrechen, was leider sehr oft zu vielen ungeklärten Fragen führt. Versetzt man sich in die Lage der Lehrenden, ist die Situation wahrscheinlich sehr ähnlich. Es ist sicherlich angenehm, eine Vorlesung von zu Hause zu halten, jedoch ist es schwierig, eineinhalb Stunden enthusiastisch vorzutragen, wenn man in einen Bildschirm voller grauer, gesichtsloser Kästchen spricht.

Beide Arten der Vorlesungen haben Vor- und Nachteile; in Sachen Austausch und Enthusiasmus kommt eine Online-Vorlesung jedoch nicht an eine Präsenz-Lehrveranstaltung heran.

 

Online-Klausuren

Im letzten Jahr durften wir die verschiedensten Arten der Online-Klausuren kennenlernen. Von Open-Book bis hin zu reinen Multiple-Choice-Klausuren war wirklich alles dabei. Entgegen anfänglichen Befürchtungen haben diese meiner Erfahrung nach wirklich gut funktioniert. Trotz des einen oder anderen technischen Fehlers konnten die Klausuren fast immer wie gewohnt durchgeführt werden. Am wichtigsten hier – Kommunikation! Wie wird die Prüfung abgehalten, wie wird man überprüft, wie wird man beobachtet? Diese Fragen haben bereits des Öfteren für Unbehagen bei vielen Studierenden geführt. Klärt man dies jedoch im Vorhinein, steht einer erfolgreichen Prüfung nichts im Weg. Für mich ein Aspekt der Online-Lehre, den man gerne beibehalten kann.

 

Online-Labore und Zusammenarbeit mit Studierenden

Praktische Arbeit ist in jedem naturwissenschaftlichen Studium ein wichtiger Bestandteil. Etwas „Selbermachen“ ist oft der Schlüssel zum Verständnis. Ich durfte in den vergangenen eineinhalb Jahren von sehr gut durchgeführten Online-Laborpraktika bis hin zu jenen ohne jeglichen Mehrwert alles erleben. In vielen Laboreinheiten wurde auf Videos zurückgegriffen, um ein möglichst gutes Bild des Versuches zu bieten. Anhand dieser wurde der Versuch durchbesprochen, und durch interaktive Diskussion mit den Lehrenden konnten Verständnisprobleme leicht aus der Welt geschafft werden. Leider wurde dieses Engagement nicht in allen virtuellen Laborübungen an den Tag gelegt – das einfache Zusenden eines Datensatzes zur Auswertung, ohne ausreichende Erklärung oder Hilfestellung, hat für die meisten Studierenden leider kaum einen Mehrwert.

Da Laborpraktika oft Gruppenarbeiten sind, war auch die Kommunikation unter Studierenden durch Corona stark verändert. Im Zeitalter von Social Media hat dies glücklicherweise die wenigsten vor Probleme gestellt. Durch Video- oder Sprach-Chat (Discord, WebEx, Big Blue Button) konnten wie gewohnt Projekte abgesprochen werden.

Eine Laborübung muss, um volle Lehrwirkung zu zeigen, auch im Labor durchgeführt werden. Nachbesprechungen oder Zusatzinformationen sind Online gut durchführbar, die Übung an sich muss man aber selbst machen.

 

Austausch mit Lehrenden

Besonders für Studienanfänger*innen war dies wahrscheinlich die größte Herausforderung. Viele Studierende, die im Wintersemester 2020 ihr Studium begonnen haben, hatten nie die Möglichkeit, ihre Professor*innen und Übungsleiter*innen in Person kennenzulernen. Dies führt auch dazu, dass sich Studierende kaum mit Lehrenden ausgetauscht haben, da sie keinen Bezug hatten bzw. sich nicht getraut haben. Es gibt jedoch auch in diesem Aspekt Lichtblicke; viele Lehrende waren extrem bemüht, in ständigem Kontakt mit Studierenden zu stehen und durch Fragestunden und Flipped-Classroom-Lessons die Interaktivität zu steigern. Andererseits haben genauso viele Lehrende nur ein Skript und einen Foliensatz hochgeladen, was weder die Lernmotivation noch das allgemeine Verständnis für den Stoff steigert.

Dieser Bereich ist sehr personenabhängig. Von exzellentem, engagiertem Austausch bis zu „Sie bekommen irgendwann ein Skript“ durften wir im letzten Jahr alles kennenlernen.

 

Daniela Klampfl, 21 Jahre, studiert im sechsten Semester Chemie an der TU Graz/Universität Graz im Rahmen von NAWI Graz. Seit dem zweiten Semester engagiert sie sich in der Studienvertretung.

 

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