Meet Martyn Poliakoff

Studieren in der Corona-Krise ist eine besondere Herausforderung. Auch die Lehrenden mussten plötzlich umdenken und für die digitale Lehre kreativ werden. Ein Erfahrungsbericht von Janko Auerswald von der Hochschule Luzern.

 

Struktur fürs Selbststudium

Die Umstellung auf den Corona-Unterricht Mitte März 2020 war ein Sprung ins kalte Wasser – sowohl für die Dozierenden, als auch für die Studierenden. Für mich als Dozent für Werkstoffkunde an der Hochschule Luzern bedeutete die Umstellung einen wesentlichen Mehraufwand bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Lehrveranstaltungen. Sehr wichtig erschien mir, den Studierenden in dieser Zeit der Ungewissheit eine gut strukturierte Lehrveranstaltung sowie brauchbare Unterlagen für das Selbststudium anzubieten. Die Online-Vorlesungen finden live zu ihren fixen Zeiten statt. Der Inhalt ist auf das Wesentliche reduziert. So entsteht mehr Raum für Übungen und praktische Fallstudien.

Auf Interesse stoßen auch Anschauungsobjekte, die mit Hilfe einer Handy-Kamera im Detail erklärt werden. Trotzdem kann dies einen guten Präsenzunterricht, Laborpraktika und Exkursionen nicht ersetzen. Umso besser müssen die Unterlagen für die digitale Lehre sein. Ich nahm die Pandemie auch zum Anlass, ein Lehrbuch für die Studierenden zu schreiben, das beim Verlag Wiley-VCH erscheinen wird.

 

Ausnahmezustand für Studierende

Noch mehr als mit den Dozierenden habe ich jedoch mit den Studierenden mitgelitten. Die Pandemie beraubt sie eines wichtigen und spannenden Teils ihres Lebens. Ich bewundere die jungen Menschen dafür, wie diszipliniert sie die Situation mit den vielen Einschränkungen meistern. Einer meiner Studenten musste während der ersten Welle der Pandemie als Sanitäter ins Schweizer Militär einrücken, um bei der Pflege älterer Menschen mitzuhelfen. Nach seiner Rückkehr habe ich ihm über Zoom Individual-Unterricht gegeben, um die versäumten Vorlesungen nachzuholen. Da er aber auch in anderen Fächern den gleichen Rückstand hatte, musste er große Teile des Semesters am Ende doch wiederholen. Im laufenden Semester, während der dritten Welle der Pandemie, kann eine Studentin der Medizintechnik nicht an meiner Vorlesung teilnehmen, da sie aufgrund der angespannten Personalsituation Schichtdienst in einem Spital hat.

 

Solidarität zwischen den Generationen

Der Online-Unterricht und die Corona-Einschränkungen verlangen den Studierenden eine Menge ab. Die Jugend zeigt sich nun schon über eine sehr lange Zeit solidarisch gegenüber der älteren Generation, die durch diese rigiden Massnahmen vor den Auswirkungen der Pandemie geschützt werden musste. Ich hoffe sehr, dass sich die ältere Generation gegenüber der Jugend nun ebenfalls solidarischer verhalten wird. Dies betrifft vor allem die wichtigen Zukunftsthemen wie Rentengerechtigkeit, Klimaschutz, Umweltschutz sowie strategisch wichtige Themen in politischen Wahlkämpfen und Abstimmungen wie die Einhaltung ethischer, sozialer und ökologischer Standards in den globalen Lieferketten und Finanzmärkten für eine gerechtere Verteilung des weltweit erwirtschafteten Reichtums und zur Vermeidung von armutsbedingter Wirtschaftsmigration.

 

Lehre in Zukunft?

Mir persönlich hat die Pandemie nicht nur auf die Stimmung, sondern auch die digitale Lehre auf die Stimme geschlagen. Die unergonomische Sitzhaltung auf dem platzsparenden Hocker im heimischen Home-Office vor dem Laptop führte zu einer flacheren Atmung. Es gab keinen großen Raum, den meine Stimme hätte ausfüllen müssen. Im Gegenteil, um meine Frau und unseren erwachsenen Sohn bei ihrem Homeoffice nicht zu stören, habe ich in den ungezählten Zoom-, Teams-, Go-to-Meeting- oder Webex-Konferenzen eher leise gesprochen. Nun, da sich hoffentlich das Ende der Pandemie abzeichnet, beginne ich langsam mit dem erneuten Aufbau meiner Stimme. Ich freue mich schon darauf, wenn ich wieder an eine Hochschule komme, die nicht gespenstisch leer ist, sondern wo die Studierenden im Sonnenschein zusammensitzen oder Tischtennis spielen. Wo sie auch mal gemeinsam ein Bier trinken und darüber diskutieren, wie sie in Zukunft mit ihren grossartigen Ideen die Welt verbessern werden. Vielleicht schweißt uns die Pandemie als Gesellschaft wieder stärker zusammen und hilft uns dabei, die wichtigen Dinge im Leben klarer zu sehen.

Janko Auerswald, Uni Luzern

 

 

Von Janko Auerswald:

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