Dilara Bülbül, 24, studiert im 2. Semester Naturwissenschaftliche Forensik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie sich ein Präsenzstudium von einem Online-Studium unterscheidet.

Erzählen Sie uns doch kurz etwas über Ihr aktuelles Studium.

Im sehr praxisorientierten Studiengang Naturwissenschaftliche Forensik geht es um das Erlernen der forensischen Analytik mit den Schwerpunkten Chemie, Materialwissenschaften, Physik und Biologie. Es werden Methoden der kriminalistischen Tatortarbeit gelehrt, und Recht und Qualitätssicherung ergänzen die naturwissenschaftliche Ausbildung. Mit diesem Abschluss kann man in einem Kriminallabor arbeiten, zum Beispiel bei der Polizei, beim LKA oder beim BKA, die die an den Tatorten sichergestellten Beweisstücke analysieren und somit einen erheblichen Beitrag zur Aufklärung des Tatgeschehens leisten können und im Optimalfall zur Verhaftung und Verurteilung eines Täters.

Wie lief der Studienbeginn ab?

Das Wintersemester 2020/21 begann aufgrund von Corona einen Monat später als üblich. Geplante Praktika waren nicht durchzuführen aufgrund der Infektionslage. Die Hochschule hat uns mitgeteilt, dass das Semester komplett online ablaufen wird und uns über die Plattform der Hochschule sowie den E-Mail-Verteiler über jegliche Veränderungen sofort informiert. In mehreren Einführungsveranstaltungen haben uns Hochschulmitarbeiter die Plattform erklärt und demonstriert. Die Dozenten haben notwendige Unterlagen zu den Modulen hochgeladen und die Option angeboten, die Vorlesungen „live“ mit dem/der Dozent/in durchzuführen oder eine Aufzeichnung der jeweiligen Vorlesung später selbst anzuschauen. Zudem gab es Kennenlern-Zoom-Meetings und ein Mentorenprogramm, in dem Studierende aus höheren Semestern sich mit den Erstis ausgetauscht und Erfahrungen geteilt haben.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Online-Lehre?

Ich habe positive Erfahrungen mit der Online-Lehre gemacht, da das Wintersemester das zweite „Corona-Semester“ war und die Dozenten inzwischen mit den Online-Meetings sowie Videoaufzeichnungen Erfahrung hatten. Für mich ist der größte Vorteil von aufgezeichneten Vorlesungen, dass ich sie unabhängig vom Stundenplan – in „normalen“ Zeiten müsste ich zur Hochschule pendeln – und ggf. mehrfach anschauen kann, wenn ich zum Beispiel etwas nicht gleich verstanden habe. Natürlich entfällt die Möglichkeit, direkt im Hörsaal eine Frage zu stellen, aber unsere Dozenten haben immer zeitnah auf Fragen per E-Mail geantwortet. Und so haben auch Studenten Fragen gestellt, die sich das in einem echten Hörsaal mit 100 Menschen vielleicht nicht getraut hätten.

Ich finde, sowohl Live-Vorlesungen mit der Möglichkeit, im Chat Fragen zu stellen, als auch aufgezeichnete Vorlesungen funktionieren ziemlich gut. Der Austausch mit den Kommilitonen erfolgt über WhatsApp-Gruppen oder Discord-Gruppen sowie in den verschiedenen Übungsgruppen der unterschiedlichen Module. Die Dozenten halten die digitalen Konferenzräume nach Beendigung der Veranstaltung noch eine Weile offen, damit man sich mit den Dozenten unterhalten oder mit den Kommilitonen austauschen kann. Außerdem werden speziell zur Vorbereitung für Praktika Online-Lernstunden angeboten, die sogenannte „Studierwerkstatt“, in der man mit den zuständigen Praktikumsleitern seine offenen Fragen durchgehen kann.

An Ihrer Hochschule spielt die Praxis eine große Rolle. Wie, wenn überhaupt, laufen die Praktika in Ihrem Studiengang ab?

Natürlich gab es bis jetzt keine Möglichkeit, ein Labor von innen zu sehen und selbst Erfahrungen zu sammeln, was sehr schade ist. Jedoch bemühen sich alle Dozenten, die Praktika so gut es geht ins Online-Format zu überführen. Dies geschieht über ausführliche Versuchsanleitungen sowie produzierte Videos, in denen die Dozenten im Labor stehen und erklären, wie man die Geräte richtig verwendet. Die Dozenten führen die Versuche dann durch und stellen am Ende mehrere Datensätze von Messwerten zur Verfügung: Jedoch werden diese Datensätze erst freigeschaltet, wenn die Studierenden das Vortestat mit Fragen zum Experiment bestanden haben. Somit wird das Gefühl vermittelt, dass man selbst im Labor stand und diese Messergebnisse erzielt hat und nun auswerten muss. Auch in den eher qualitativ orientierten Praktika, etwa zur Mikroskopie, bemühen sich die Dozenten, die Lerninhalte in den Versuchsseminaren zu vermitteln und die mikroskopischen Bilder gemeinsam mit den Studierenden auszuwerten.

Wie sind bei Ihnen die Klausuren organisiert?

Man muss zu einem festen Zeitpunkt an einer Videokonferenz teilnehmen mit eingeschalteter Kamera, um Betrugsversuche zu verhindern. Es passiert hin und wieder, dass jemand wegen Internetproblemen kurzzeitig unfreiwillig das Meeting verlässt – und es liegt im Ermessen des Dozenten, ob dies als Betrugsversuch gedeutet wird oder nicht. Diesem Problem begegnet das Prüfungsamt mit großzügigen Freischussregelungen, d.h., man kann auch kurz vor Beginn der Klausur noch ohne ärztliches Attest, ohne dass dies als Fehlversuch gewertet wird, ebenso wie bei Internetproblemen während der Klausur. Nach Beendigung der Klausur wird die schriftliche Ausarbeitung innerhalb eines festgelegten Zeitraums eingescannt oder abfotografiert und dem Dozenten zur Korrektur zugeschickt. Es ist also ziemlich kompliziert, zu Corona-Zeiten eine Klausur zu schreiben, weswegen ich mich persönlich auf Klausuren in einem Hörsaal freue.

Was möchten Sie anderen Studierenden für den Studienbeginn noch mit auf den Weg geben?

Ein Studium zu Corona-Zeiten zu beginnen ist zwar andere Erfahrung, aber eine Erfahrung, die lohnenswert ist. Man lernt sehr viel über sich selbst, wie man am besten lernen kann und wie man sich richtig organisiert. Ohne Selbstdisziplin und Organisation ist Studieren generell schwierig, aber unter diesen Bedingungen noch erschwerter. Doch die Dozenten geben sich Mühe, das Studium auch online so angenehm und effektiv wie möglich zu gestalten. Die Pandemie wird kein Dauerzustand bleiben, daher hilft es, optimistisch zu bleiben und das beste aus der Situation zu machen. Wenn man mit bestimmten Entscheidungen unzufrieden ist, ist es das Beste, die Missstände direkt anzusprechen und gemeinsam mit den Verantwortlichen eine Lösung zu erarbeiten. Ich bin sehr zufrieden, meinen Studienbeginn angetreten zu haben, und freue mich schon auf die folgenden Semester mit „richtigem“ Studentenleben.

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Dilara Bülbül

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