Genialer Chemiker Polymer Elefanten

Billard als Anstoß für die Entwicklung der Polymere

Bis 1912 wurden nahezu alle Billardkugeln aus Elfenbein, dem Material der Stoßzähne von Elefanten, hergestellt. Damit so eine Kugel gut rollt, musste sie aus qualitativ hochwertigem, fehlerfreiem Material aus der Mitte eines Zahnes bestehen. Nur etwa einer von 50 Zähnen besitzt eine solche Qualität. In dieser Zeit wurde Elfenbein rar und teuer, während immer mehr Elefanten getötet wurden und Billard immer populärer wurde. Man fürchtete damals bereits, dass die Zahl der Elefanten durch die Elfenbeinjäger so stark dezimiert würde, dass ihnen die Ausrottung drohte. Aus diesem Grund erließen einige Länder strenge Restriktionen für die Einfuhr von Elfenbein. In der Folge wurde nach neuen Werkstoffen zur Herstellung von Billardkugeln gesucht. Zum Beispiel wurde als eine frühe Alternative eine gepresste Mischung aus Holzschliff und Knochenmehl getestet, die sich jedoch als nicht tauglich erwies. Der am besten geeignete Ersatz (auch heute noch im Einsatz) ist eines der ersten synthetischen Polymere – Phenolformaldehydharz, auch Phenoplast genannt.

Leo Baekeland: Entdecker des Bakelit

Die Erfindung dieses Werkstoffs stellt einen wichtigen und interessanten Meilenstein in der Geschichte der synthetischen Polymere dar. Der Entdecker des Prozesses zur Herstellung von synthetischem Phenolformaldehyd war Leo Baekeland. Als junger Chemiker emigrierte er kurz nach 1900 von Belgien in die USA, wo er mit der Forschung zur Herstellung von synthetischem Schellack begann, um das natürliche Material, dessen Gewinnung und Aufbereitung sehr teuer ist, zu ersetzen. Schellack wurde und wird auch heute noch als Lack, Holzschutzmittel und damals (heute nur noch in geringem Umfang) als elektrischer Isolator in der Elektroindustrie eingesetzt. Baekelands Anstrengungen führten letztendlich zu der Entdeckung, dass ein geeigneter Ersatz durch die Reaktion von Phenol (C6H5OH), einer weißen, kristallinen Substanz (Schmelzpunkt: 41 °C) mit Formaldehyd (HCHO), einem farblosen Gas, unter kontrollierten Bedingungen (Temperatur und Druck) hergestellt werden kann. Das Produkt dieser Reaktion war eine Flüssigkeit, die langsam zu einem transparenten, bernsteinfarbenen Feststoff erstarrt. Baekeland nannte seinen neuen Werkstoff Bakelit. Heute werden die Bezeichnungen Phenolformaldehyd bzw. Phenoplaste verwendet.

Phenoplast statt Elfenbein

Bakelit erwies sich als sehr gut geeignet für die Herstellung von Billardkugeln. Phenolformaldehyd ist ein thermisch härtendes Polymer (Duroplast) und weist eine Reihe vorteilhafter Eigenschaften auf. Für ein Polymer ist es hitzebeständig und hart, weniger spröde als eine Reihe von keramischen Werkstoffen, sehr stabil und wenig reaktiv gegenüber gängigen Lösungsmitteln. Es neigt wenig zur Splitterbildung und zum Ausbleichen und ist farbbeständig. Außerdem ist es relativ preiswert und kann in großer Farbvielfalt hergestellt werden. Seine elastischen Eigenschaften sind denen von Elfenbein sehr ähnlich. Wenn zwei Billardkugeln aus Phenoplast zusammenstoßen, gibt es das gleiche klickende Geräusch wie beim Zusammenstoß von Elfenbeinkugeln.

Aus dem Buch:

William Callisters englischsprachiger Bestseller „Materials Science and Engineering“ ist das klassische Lehrbuch der Materialwissenschaften. Nun erscheint die deutsche Ausgabe, deren Inhalte optimal auf die Bedürfnisse der hiesigen Studenten angepasst wurden.

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