Der Mensch ist wie jedes andere Lebewesen ein Produkt der Evolution. Die Analyse unseres humanen Genoms hat u. a. gezeigt, dass wir DNA-Sequenzen von mehreren heute nicht mehr existenten Frühmenschen in uns tragen, z. B. vom Neandertaler oder vom Denisova-Menschen. Nun, da wir als einzige Spezies der Gattung Homo übrig sind, steht uns für unsere weitere genetische Entwicklung nur noch unser eigener Genpool zur Verfügung. Wir haben alle in der Schule gelernt, dass die Evolution über die umweltbedingte Auslese von zufällig auftretenden genetischen Varianten (Mutationen) wirkt. Das tut sie prinzipiell genauso beim Menschen. So enthält eine menschliche Keimzelle im Durchschnitt eine Mutation je 100 Millionen Basenpaare, wodurch jeder neugeborene Mensch rund 60 Mutationen in seinem Genom trägt.

Genetische Resilienz

Die allermeisten dieser Mutationen haben nur geringe Auswirkungen auf den Organismus, die keinen wahrnehmbaren Selektionsvorteil ergeben, denn unsere Zellbiologie arbeitet in der Regel mit mindestens einem „Reservesystem” für alle wichtigen Prozesse, wodurch wir genetisch sehr resilient sind. Neue Eigenschaften entstehen in der Regel dadurch, dass eine Reihe solcher „stiller” Mutationen in einem Individuum zusammenkommen und dann nicht mehr von den Reserve- und Kontrollsystemen des Organismus kompensiert werden können. Erst dann kommt die natürliche Selektion zum Tragen und kann dem neuen Phänotyp evtl. einen Vorteil bei der Fortpflanzung verschaffen.

Wie wahrscheinlich ist die Veränderung des Genpools?

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine spontan auftretende stille Mutation in einer Population etabliert und damit den Genpool der Art dauerhaft verändert, lässt sich mathematisch berechnen. Für eine sich frei miteiander paarende Population aus N Individuen, setzen sich stille Mutationen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/2N durch und benötigen dafür einen Zeitraum von 4N Generationen. Als der moderne Mensch sich vor rund 250.000 Jahren von Afrika aus ausbreitete, war die Population mit rund 10,000 Individuen bereits so groß, dass stille Mutationen seitdem kaum eine Chance hatten, sich durchzusetzen, selbst wenn man eine kurze Generationszeit von nur 20 Jahren annimmt.

Was bedeutet exponentielles Wachstum für das Genom?

Durch das exponentielle Wachstum der Menschheit seit der Jungsteinzeit sind die Chancen für eine Veränderung des Genpools durch natürliche Mechanismen noch einmal deutlich geringer geworden. Mit den heute auf der Erde lebenden 8,2 Milliarden Menschen würde eine stille Mutation unvorstellbare 656 Milliarden Jahre benötigen, um sich dauerhaft in unserem Genom zu etablieren. Unser Genom ist damit vermutlich für alle Zeiten fixiert und der Mensch genetisch gesehen am Ende seiner Evolution angekommen. Nur in kleinen Gruppen von Menschen, die vom globalen Genpool ausgeschlossenen sind, − z. B. bei Inselbewohnern oder in Stammeskulturen, die den Kontakt mit anderen Menschen komplett vermeiden − ist eine genetische Evolution noch möglich.

Mehr dazu in: Bruce Alberts et al., Molekularbiologie der Zelle (7. Auflage), ISBN 978-3-527-35364-4

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