Clara McKellar studiert Physik in Heidelberg und absolviert gerade ein Auslandsjahr an der Norwegischen Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität (NTNU) in Trondheim. Hier berichtet sie von ihrem Studium in Norwegen.
Wenn man an Norwegen denkt, fallen einem viele Assoziationen ein. Viel Licht, wenig Licht, viele Berge, Fjorde und sehr kalt. Das meiste davon traf mich gleich bei meiner Ankunft, als ich aus sonnigen 35 °C mit Stoffhose und T-Shirt bekleidet bei 13 °C und Regen Ende Juli in Trondheim aus dem Flieger stieg und mich ohne mein Gepäck wiederfand. Als ich feststellen musste, dass ich das wohl so schnell nicht wieder sehen würde, legte ich mir erstmal eine Vliesjacke zu. Das zweite was ich kaufte war ein Vorhang, denn mein Zimmer geht nach Nordosten. Das bedeutet, dass ich im Winter gar kein Licht habe, während im Sommer die Sonne um 4 Uhr morgens auf mein Kopfkissen scheint und irgendeine Möwe sich die Seele aus dem Leib schreit.
In der Uni vom Frühstück bis zum Barabend
Anders als in Heidelberg spielt sich das Leben der Studenten hier viel mehr in der Uni ab. Die Uni versorgt einen jeden Donnerstag mit kostenlosem Frühstück und in der Klausurenphase sogar jeden Tag. Weiß man wo gibt es auch gut ein Dutzend Orte, an denen man jederzeit kostenlosen Kaffee bekommen kann. Für jeden Studiengang gibt es eine Art Fachschaft, die in ihrer Struktur allerdings mehr einer Bruderschaft ähnelt, und die meisten dieser Vereinigungen haben ihre eigenen Bars, Chöre und Sportteams.
Was für mich im Studium sehr anders war, waren die Unterrichtsmethoden und die Größe der Vorlesungen. Aus Deutschland war ich volle Vorlesungssäle mit mehreren hundert Studierenden gewöhnt. Hier hatten wir die Größe einer Schulklasse und fast immer gab es Gruppenarbeiten. Generell wurde viel mehr Wert auf praktische Arbeit gelegt. Eine befreundete Architekturstudentin entwarf und baute eine komplette Lagerhalle in ein Café mit angrenzender Sauna um, und ich schlich mich bei den Biologen ein und steuerte von Forschungsschiffen aus Unterwasserroboter.
Beeindruckende Naturerfahrungen inklusive
Ganz groß in Norwegen ist das Outdoor-Erlebnis. Jeder Norweger hat eine Blockhütte, und wer keine hat, kennt jemanden, der eine besitzt. Die NTNU selbst hat ca. 20 Blockhütten, die man als Student für umgerechnet 4 EUR die Nacht mieten kann. Gekocht wird auf Feuer, sein Wasser holt man aus dem nächsten Bach und sollte man Stellen sehen, wo nichts wächst, dann ist es ein Sumpf. Vor ein paar Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich zwischen zwei Wasserfällen baden würde oder mich bei Sonnenuntergang durch hüfthohen Schnee zur nächsten Hütte durchkämpfen würde, nur um dann zu entdecken, dass es kein Feuerholz gibt und deswegen eine Matratzenhöhle zu bauen.
Hat es sich für mich gelohnt, ein Jahr in die Fremde zu gehen? Unbedingt! Ein Auslandsstudium bietet die Möglichkeit, Universität noch mal anders zu erfahren und über seinen Erfahrungshorizont zu schauen und Dinge zu tun, von denen man in Deutschland vielleicht nicht gedacht hätte, dass man sie mal tun würde. Vielleicht verliert man sich unterwegs etwas, aber das gibt einem die Gelegenheit sich wieder neu zu finden.
Interesse an mehr?
Nachhaltigkeit studieren (Teil 8): Materialien und Nachhaltigkeit
Die omnipräsente Diskussion um Klimaerwärmung und die nötige Umstellung von fossile auf erneuerbare Energieträger hat ein weiteres Nachhaltigkeitsthema etwas in den Hintergrund treten lassen: Die begrenzte Verfügbarkeit von Materialien. Der Abbau und die Veredelung...
Immanuel Kant: Weltfrieden und Selbstdenken
Vor dreihundert Jahren, am 22. April 1724, wurde Immanuel Kant geboren. Er war ein bedeutender deutscher Philosoph der Aufklärung und hat bis heute einen großen Einfluss auf die Philosophie und Ethik. Obwohl er im 18. Jahrhundert lebte, sind viele seiner Ideen...
Stephanie Kwolek: Die Frau, die Kevlar erfand
Vor 100 Jahren wurde Stephanie Kwolek in einem Vorort von New Kensington, Pennsylvania, in den USA geboren. Während ihr Name vielen nicht geläufig sein wird, so kennen die meisten ihre bekannteste Erfindung, die DuPont unter dem Handelsnamen Kevlar herstellt und...
Maryam Mirzakhani: Mathematikerin und Vorbild
Seoul, Südkorea, August 2014, International Congress of Mathematicians: Maryam Mirzakhani erhält als erste Frau und als erste Iranerin die renommierte Fields-Medaille für ihre bahnbrechenden Beiträge „zur hyperbolischen Geometrie in Zusammenhang mit Modulräumen...
Emmy Noether – die Meisterin des Abstrakten
Vor 140 Jahren, im März 1882, wurde die deutsche Mathematikerin Emmy Noether in Erlangen geboren. Die Begabung für diese hehre Wissenschaft schien in der Familie zu liegen: Emmys Vater war Mathematikprofessor an der Universität Erlangen, und auch ihr jüngerer Bruder...
100 Jahre Stern-Gerlach-Versuch
An einem Tag im Jahre 1921 ... Es war ungewöhnlich warm an diesem regnerischen Dezembermorgen, als sich Walther Gerlach zu Fuß auf den Weg zum Physikalischen Verein in der Robert-Mayer-Straße in Frankfurt machte. Seine Frau Mina war nicht begeistert, dass er so kurz...
Women in Engineering
It’s no secret: Engineering is not just a man’s world. Perceptions – along with demographics – are shifting, and Wiley is proudly part of the movement to raise the profile of women in engineering, to inspire future generations. Here, we celebrate engineering...
Christopher Barner-Kowollik
Have you ever wondered what the role of an advisory board member of a scientific journal looks like? To find out, we talked to Christopher Barner-Kowollik from the Karlsruhe Institute of Technology KIT and Queensland University of Technology. Originally trained as a...
Helga Rübsamen-Schaeff
Professor Dr. Helga Rübsamen-Schaeff was Senior Vice President and Global Head of Anti-Infective Research at Bayer HealthCare (Germany) and is now Chief Executive Officer of the Bayer Corporation spin-off AiCuris GmbH (‘anti-infective cures’) which she has headed...
Robert Koch und der Tuberkulin-Skandal
Mycobacterium tuberculosis in Knochenmarksmakrophagen der Maus. Die Bakterienzellen sind etwa 0,4 μm dick und 1,2 μm lang (Aufnahme: Volker Brinkmann und Stefan Kaufmann, MPI für Infektionsbiologie, Berlin). Als Skandal oder sogar als Schwindel wurden von...
Nachhaltigkeit studieren (Teil 5): Green Technologies: Energie, Wasser, Klima
Die heutige Welt sieht sich mit vielen Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Übernutzung von Ressourcen, ökologischen Störungen und einer wachsenden Bevölkerung konfrontiert. Wie die Zukunft aussehen wird, hängt davon ab, wie wir diese Herausforderungen angehen....
Nachhaltigkeit und Technik: Green Technologies studieren
Ein Interview mit Rebecca Burow und Lilian Block. Beide studieren im vierten Semester Green Technologies an der Technischen Universität Hamburg. Warum habt ihr euch für den Studiengang Green Technologies entschieden? Wir hatten schon in der Schulzeit ein großes...