Astronaut Alexander Gerst

Mycobacterium tuberculosis in Knochenmarksmakrophagen der Maus. Die Bakterienzellen sind etwa 0,4 μm dick und 1,2 μm lang (Aufnahme: Volker Brinkmann und Stefan Kaufmann, MPI für Infektionsbiologie, Berlin).

 

Als Skandal oder sogar als Schwindel wurden von manchen Zeitgenossen Robert Kochs seine zum Teil überhasteten Aktivitäten bezeichnet, die Tuberkulose mit einer Serumtherapie, dem Tuberkulin, zu heilen.

 

Roberts Kochs Erfolge

Die bahnbrechenden Arbeiten Robert Kochs über den Milzbrand zeigen, dass er den Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein einer bestimmten Bakterienart im Körper und den Ausbruch einer Erkrankung erkannte. Er isolierte Bacillus anthracis, der den Milzbrand hervorruft. Den Choleraerreger hatte er zwar nicht selbst entdeckt; er wurde 1854 von Filippo Pacini als gekrümmtes Bakterium beschrieben. Koch und Mitarbeiter isolierten ihn 1884 in Indien aus den Faeces eines an Cholera verstorbenen Patienten.

Legendär ist Robert Kochs Leitung der Bekämpfung des Choleraausbruchs 1892 in Hamburg. Abgekochtes Trinkwasser wurde zur Verfügung gestellt, Schulen geschlossen und alle Versammlungen abgesagt. In aller Eile entstanden Sandfilteranlagen für die Aufbereitung des Elbwassers. Es waren Zeiten, als selbst renommierte Hygieniker wie Max von Pettenkofer immer noch annahmen, die Cholera würde in bestimmten Bodenformationen entstehen.

 

Nobelpreisträger Emil Behring

Um 1890 herum war das Laboratorium Robert Kochs in Berlin wohl die erste Adresse für die Erforschung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Unter Robert Kochs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ragte einer besonders heraus, Emil Behring. Er ging als Retter der Kinder und als Retter der Soldaten in die Geschichte der Bekämpfung von Infektionskrankheiten ein.

Großtiere vom Hammel bis zum Pferd wurden gegen Corynebacterium diphtheriae oder gegen Clostridium tetani immunisiert. Aus den Tieren wurden Serumpräparate gewonnen und damit Patienten, die an Diphtherie oder Wundstarrkrampf erkrankt waren, geimpft. Nach einigen Rückschlägen waren Behrings Erfolge bahnbrechend. Sie bildeten die wissenschaftliche Grundlage für die Produktion von Impfstoffen in den Behringwerken und wurden durch die Verleihung des ersten Nobelpreises für Medizin an Emil Behring 1901 gekrönt.

Das war gerade elf Jahre nach der epochalen Arbeit „Über das Zustandekommen der Diphtherie und der Tetanusimmunität bei Tieren“, die er zusammen mit Shibasaburo Kitasato veröffentlicht hatte. Diese Publikation war für Robert Koch die Herausforderung, auf ähnlichem Wege eine Serumtherapie gegen die Tuberkulose zu entwickeln. Wir gehen jetzt aber erst einmal zurück in das Jahr 1882.

 

Die Entdeckung des Erregers der Tuberkulose

Wenn man den Bahnhof Friedrichstraße in Berlin verlässt, um zum Brandenburger Tor zu gehen, dann empfiehlt es sich, einmal nicht „die Linden“ zu nehmen, vielmehr die parallel verlaufende Dorotheenstraße. Nach einigen Hundert Metern erreicht man ein wunderschönes, altes Institutsgebäude. Neben dem Eingang von der Dorotheenstraße aus hängt eine Tafel mit folgender Inschrift:

In diesem Hause hielt Robert Koch vor der Berliner Physiologischen Gesellschaft am 24. März 1882 den Vortrag, in dem er öffentlich seine Entdeckung des Erregers der Tuberkulose mitteilte.

Hier also fand einer der aufsehenerregendsten wissenschaftlichen Vorträge aller Zeiten statt. Robert Koch hatte mit einem besonderen Färbeverfahren, eigentlich mit einer alten, alkalisch gewordenen Methylenblaulösung den Erreger der Tuberkulose nachgewiesen. Wir nennen diesen heute Mycobacterium tuberculosis.

Die Zusammenfassung des Vortrages lautete nach dem Sitzungsbericht wie folgt:

Das Resultat ist also, dass konstant in tuberkulös veränderten Geweben Bazillen vorkommen, dass diese Bazillen sich vom Körper trennen und in Reinkulturen sich lange Zeit erhalten lassen, dass die mit den isolierten Bazillen in der verschiedenen Weise infizierten Tiere tuberkulös werden. Daraus lässt sich schließen, dass die Tuberkelbazillen die eigentliche Ursache der Tuberkulose sind, und letztere also als eine parasitische Krankheit anzusehen ist.

 

Keine Tuberkulose-Impfung

Tuberkulose, Schwindsucht, weiße Pest, neun Millionen Neuerkrankungen gibt es in jedem Jahr, und 2,5 Millionen Todesfälle sind jährlich zu beklagen. Ein Drittel der Weltbevölkerung ist infiziert, und es gibt bisher keinen verlässlichen Impfstoff. Zwar wurde ein solcher von den französischen Mikrobiologen Albert Calmette und Camilli Guerin am Pasteur-Institut bereits in den 1920er-Jahren auf der Basis des Erregers der Rindertuberkulose entwickelt; er schützt Neugeborene von Eltern, die an Tuberkulose erkrankt sind. Bei Erwachsenen mit Lungentuberkulose ist er unwirksam.

An mehreren Forschungseinrichtungen einschließlich des unter der Leitung von Stefan Kaufmann stehenden Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin werden große Anstrengungen unternommen, einen verbesserten Impfstoff zu entwickeln.

 

Ausbruch von Tuberkulose und PhoP

Mycobacterium tuberculosis wächst intrazellular. Es dringt also in Zellen ein, und diese werden zerstört, wenn sich der Erreger darin vermehrt. Das Geheimnisvolle an den „Tuberkelbakterien“ ist, dass diese in einen Dämmerzustand übergehen können und sich dann jahrelang nur geringfügig vermehren. Dann bewirkt ein Signal, dass die Organismen in einen aktiven Zustand übergehen und die Tuberkulose ausbricht.

Hier liefern Entdeckungen, die im Berliner Institut gemacht wurden, Erklärungen. Offensichtlich gibt es ein Gen, das für ein Regulatorprotein PhoP codiert. Ist dieses Protein in größerer Menge vorhanden, so werden die „Schlafgene“ außer Betrieb gesetzt, und die Bakterien erwachen zu ihrer folgenreichen Aktivität. Aus diesen Befunden kann man einen Ansatz für die Tuberkulosebehandlung ableiten: Man müsste einen Weg finden, PhoP niedrig zu halten und dadurch die vorhandenen Bakterien in ihrem Schlafzustand zu belassen.

 

Bleibende Gefahr Tuberkulose

Tuberkulose lässt sich leider nicht mit Antibiotika behandeln. Es wurde ja bereits erwähnt, dass es sich beim M. tuberculosis um ein extrem langsam wachsendes Bakterium handelt. Es teilt sich nur etwa alle 20 h und nicht wie beispielsweise Escherichia coli alle 20 min. Mit Antibiotika, die das Wachstum von Bakterien hemmen, ist daher M. tuberculosis nicht gut beizukommen. Auch treten mehr und mehr resistente Stamme auf.

Chemotherapeutika der ersten Wahl sind Isoniazid, Rifampicin und Pyracinamid. Die Behandlung muss über mehrere Monate erfolgen. Von M. tuberculosis geht also weiterhin eine große Gefahr aus. Sie wird dadurch vergrößert, dass Menschen immer enger beisammen sind, sei es in Transportmitteln oder auf Großveranstaltungen, und dieses häufig bei im wahrsten Sinne des Wortes „schlechter Luft“.

 

Das Tuberkulin

Die großen Erfolge der Serumtherapie bei der Behandlung von Diphtherie und Tetanus (Wundstarrkrampf) beflügelten Robert Koch, ein wirksames Mittel gegen den Erreger der Tuberkulose herzustellen. Es wurde das Tuberkulin entwickelt. Seine Rezeptur wurde zunächst geheim gehalten. Es bestand aus Fragmenten von M. tuberculosis, gewachsen in einem Glycerol-Pepton-Medium. Später als Alt-Tuberkulin bezeichnet, wurde es nach Versuchen am Tier in mehreren Hospitälern eingesetzt.

Die Ergebnisse waren niederschmetternd. Eine Heilung der Tuberkulose konnte nicht erreicht werden. Trotzdem wurde Tuberkulin ein Erfolg als diagnostisches Mittel. Wird es unter die Haut gespritzt, dann entsteht bei Patienten, die Tuberkulose haben oder hatten, innerhalb von drei Tagen eine Verdickung. Sie beruht darauf, dass es zu einer Reaktion von Antigenen im Tuberkulin mit Antikörpern im Blut der Patienten kommt. So gewann das Tuberkulin, das später durch Reinigungsschritte verbessert wurde, an Bedeutung. Jedoch blieb seinerzeit die erhoffte Sensation aus.

 

Nobelpreis für Robert Koch

Weshalb versagte das Koch‘sche Mittel in der Therapie? Emil Behring war genial, hatte aber auch Glück. Denn die Pathogenität der Erreger der Diphtherie und des Wundstarrkrampfes beruht auf Giften, auf Toxinen, die ja Proteine sind. In den Seren, die appliziert wurden, sind Antikörper dagegen enthalten; deshalb wirken sie. Anders ist es bei der Tuberkulose, sie „frisst“ sich durch die Zellverbände, besonders in der Lunge.

Es gibt Fachleute, die halten die Entwicklung des Tuberkulins trotz der anfänglichen Pleite, aber wegen der Bedeutung in der Diagnostik, für die größte Leistung Robert Kochs. So wurde ihm 1905 der Nobelpreis für seine Entdeckungen auf dem Gebiet der Tuberkulose verliehen.

Aus: Gerhard Gottschalk, Leben in kochendem Wasser und andere Mikrobengeschichten, ISBN 9783527346806

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