Es ist hilfreich, wenn Sie sich bereits vorher überlegt haben, welche Fragen nach Ihrem Vortrag aufkommen könnten. Halten Sie zur Beantwortung zusätzliches Material in Form von Folien bereit, die nach der Abschlussfolie eingeordnet sind und sich schnell abrufen lassen.
Die Diskussionsfrage
Bei der Beantwortung einer Diskussionsfrage gehen Sie so vor, dass Sie sich zunächst überlegen, was die eigentliche Essenz der Antwort sein wird. Haben Sie diese gefunden, so platzen Sie nicht etwa sofort damit heraus. Diese Aussage wird der Schlusssatz Ihrer Antwort. Da Sie nun das Ziel kennen, können Sie eine klare Argumentationskette aufbauen, die in dem vorher definierten Schluss gipfelt.
Um diesen Schlusssatz zu finden, brauchen Sie Zeit zum Nachdenken. Das Abwarten der Worterteilung durch den Sitzungsleiter können Sie bereits nutzen. Zusätzliche Zeit gewinnen Sie, indem Sie die Frage für die Zuhörer noch einmal ins Mikrofon sprechend wiederholen. Dabei machen Sie bereits von der Möglichkeit Gebrauch, der Frage eventuelle Spitzen zu nehmen ihr eine Richtung zu geben, die besser in Ihr Konzept passt. Dann erst beginnen Sie ihre Antwort, indem Sie noch nicht auf die Argumente eingehen, sondern zunächst Fakten und Positionen klären.
Kommentare sind keine Fragen, also werden sie auch nicht beantwortet. Wenn es in Ihre Linie passt, nehmen Sie den Tenor auf und erläutern ihn von Ihrer Seite. Andernfalls bedanken Sie sich für den Kommentar und leiten zur nächsten Frage weiter. Unberechtigte Einwände sollten Sie nicht direkt abtun, sondern darauf eingehen und sie klarstellen. Es kann aber auch vorkommen, dass durchaus berechtigte Bedenken gegen Ihre Darstellungsweise vorgebracht werden. In diesem Fall relativieren Sie die Einwände und setzen sie in ein geeignetes Verhältnis zu anderen Fakten.
Tipp: Manchmal genügt als Antwort ein Ja oder Nein, vielleicht ergänzt durch einen kurzen, klärenden Satz. Verfallen Sie nicht in den Fehler, weitschweifig und ausholend zu antworten, etwa einen zweiten kleinen Vortrag zu halten, nach der Devise: „So lange ich rede, kann mir niemand Fragen stellen.“
Wenn Sie merken, dass der Diskussionspartner eigentlich gar nichts fragen will, sondern weitschweifig seinen eigenen Standpunkt ausbreiten möchte, müssen Sie reagieren. Das ist notwendig im Interesse des Publikums und der wartenden Wortmeldungen. Unterbrechen Sie höflich, zum Beispiel mit den Worten „Können Sie bitte erst Ihre Frage stellen?“. Dann antworten Sie kurz und gehen danach gleich zum Nächsten über.
Zeigen Sie Interesse für alle Fragen, auch wenn sie Ihnen irrelevant erscheinen. Nehmen Sie jeden Diskussionspartner ernst, behandeln Sie niemanden von oben herab. Es kann sonst sehr schnell passieren, dass sich das Publikum mit dem Fragesteller solidarisiert und die Stimmung sich gegen Sie wendet. Wird ein Punkt aufgegriffen, den Sie bereits im Vortrag erwähnt hatten, dann sagen Sie nicht „wie ich bereits ausgeführt habe…“. Das unterstellt eine Unaufmerksamkeit des Fragers. Er war entweder tatsächlich abgelenkt, oder Sie haben das betreffende Argument nicht verständlich genug übermittelt. Erklären Sie die Sachlage einfach noch einmal in anderen Worten.
Werden Sie angegriffen, vermeiden Sie es zurückzuschlagen, auch wenn es schwerfällt. Unsachliche oder beleidigende Kommentare weisen Sie freundlich, aber bestimmt zurück. Lassen Sie sich nicht reizen, und sorgen Sie dafür, dass Sie und niemand anders den Verlauf der Diskussion bestimmt. Lassen Sie sich nicht auf ein ausgedehntes Zwiegespräch mit einem Diskutanten ein, der immer wieder Fragen nachschiebt. Bieten Sie ihm stattdessen einen ausführlichen Dialog im Anschluss an die Fachsitzung an.
Tipp: Wird eine wirklich schwierige Frage gestellt, so benutzen Sie ruhig den ältesten Trick des Redners in einer Diskussion, indem Sie sagen: „Das ist eine gute Frage.“ Das schmeichelt dem Fragenden, und er wird nicht noch einmal nachhaken, auch wenn ihn Ihre Antwort nicht voll befriedigen konnte.
Es kann schon einmal passieren, dass jemand eine Frage stellt, auf die Sie die Antwort wirklich nicht wissen. Was tun? Auf keinen Fall sollten Sie bluffen, das kann böse ausgehen, wenn jemand im Publikum sitzt, der besser Bescheid weiß. Liegt die Frage außerhalb des Themenkreises Ihres Referats, sagen Sie das einfach. Niemand verlangt, dass Sie allwissend sind. Liegt sie Ihrem Thema fachlich nahe, dann geben Sie zu, dass sie die Antwort nicht kennen. Fragen Sie, ob vielleicht jemand aus dem Zuhörerkreis die Lösung parat hat. Wenn Sie wissen, dass ein Experte im Saal ist, geben Sie die Frage direkt an ihn weiter, er wird sich freuen, sie beantworten zu dürfen. Sie vergeben sich dabei nichts, im Gegenteil, Sie zeigen, dass Sie die Tugend des „scientific scholarship“ verinnerlicht haben.
Kritische Situationen können auch entstehen, wenn die Diskussion eröffnet wird und sich keiner meldet. Ein guter Sitzungsleiter wird dann eine Frage bereithalten, um das Eis zu brechen. Aber auch Sie selbst können die Sache in die Hand nehmen, indem sie sich sozusagen indirekt selbst eine Fragen stellen: „meist werde ich an dieser Stelle gefragt …“.
Eine kleine Typologie der Diskussionsfragen
Im Folgenden habe ich einige charakteristische Fragen aufgelistet, die immer wieder in Diskussionen gestellt werden und die dem Vortragenden Schwierigkeiten bereiten können oder auch eine willkommene Gelegenheit zur Erweiterung seines Vortrags bieten.
Die dumme Frage
Erhebt sich ein Zuhörer und sagt: „Darf ich mal eine ganz dumme Frage stellen?“, so ist Vorsicht geboten. Besonders dann, wenn es sich um einen unscheinbaren älteren Herrn handelt, der aufmerksam in einer der vorderen Reihen sitzt. Antworten Sie nicht vorschnell, es kann sich um ein grundlegendes Problem Ihrer Arbeit handeln. Beginnen Sie, wenn möglich, Ihre Antwort mit: „So dumm ist diese Frage gar nicht, im Gegenteil…“.
Die extreme Anforderung
Eine tückische und oft böswillige Frage ist die, in der die Randbedingungen oder Näherungsgrenzen so extrem gesetzt werden, dass sie beinahe unerreichbar werden. So etwas ist gerade bei Fachvorträgen oft möglich: „Müsste eine solche Rechnung nicht zur Selbstkonsistenz geführt werden?“ oder „Warum wurden diese Messungen nicht bei Heliumtemperatur durchgeführt?“ Meist weiß der Fragesteller selbst, dass seine Forderung nur sehr schwer oder gar nicht erfüllbar ist. Mit der Frage will sich der Diskutant als überlegener Fachmann darstellen. Machen Sie in Ihrer Antwort klar, dass die Forderung keineswegs neu, sondern sogar offensichtlich, aber kaum erreichbar ist. Betonen Sie, dass durch Ihre Arbeit wenigstens näherungsweise Ergebnisse vorgelegt wurden, die sich in vielen Anwendungsfällen als äußerst nützlich erweisen. Wenn nötig, zweifeln Sie die Urteilskraft des Fragestellers in Beziehung auf die Reichweite und Realisierbarkeit seiner Forderungen an.
Das gewollte Missverständnis
Wird eine Frage mit den Worten „Wenn ich Sie richtig verstanden habe…“ eingeleitet, so sollten bei Ihnen die roten Lichter angehen. Achten Sie darauf, dass nicht etwas suggeriert wird, was Sie gar nicht gesagt haben. Ist dies womöglich der Fall, so gehen Sie keinesfalls auf die untergeschobene Interpretation ein, sondern stellen Sie nur Ihren eigenen Standpunkt unmissverständlich klar.
Die Deviation
Der Fragesteller bestätigt zunächst, wie interessant die dargebrachten Ergebnisse sind, berichtet dann aber weitschweifig von eigenen Resultaten oder Überlegungen, ohne wirklich eine Frage zu formulieren. Hier können Sie entweder freundlich reagieren („Ich freue mich, dass Ihre Arbeiten unsere Ergebnisse so wirkungsvoll ergänzen“) oder neutral („Interessant, aber ich sehe keinen Zusammenhang“) oder aber bissig („Könnten Sie bitte Ihre Frage noch einmal wiederholen?“).
Die dumme Autorität
Problematisch wird die Angelegenheit, wenn eine anerkannte Autorität Ihres Fachgebiets aufsteht und sagt: „Das verstehe ich nicht.“ Dieser Zuhörer versteht Sie sehr gut, glaubt Ihnen aber nicht. Reizen Sie ihn nicht. Definieren Sie in knappen Worten noch einmal Ihre Beweggründe und Ihre besten Argumente und hoffen Sie, dass er nicht nachhakt. Falls er es dennoch tut, bieten Sie ein separates Gespräch nach dem Vortrag an.
Der Kettenfrager
Mehrere Fragen aneinanderzuhängen („Ich habe drei Fragen an den Vortragenden…“) ist unfair, auch den anderen Wortmeldungen gegenüber. Aber so etwas gibt Ihnen Gelegenheit, nur die Fragen Ihrer Wahl zu beantworten. Fangen Sie bei einer Ihnen angenehmen Frage an, beantworten vielleicht noch eine zweite, dann verweisen für den Rest auf eine anschließende private Diskussion nach der Sitzung, wobei Sie sich auf das Interesse wartender Wortmeldungen berufen.
Der Historiker
Immer wieder kommt es vor, dass ein Zuhörer in der Diskussion zeigen will, dass die präsentierten Ergebnisse bereits lange vor Ihrer Zeit veröffentlicht waren („Kennen Sie die Arbeit von Finkelstein aus dem Jahre…?“). Kritisch ist diese Frage nur dann, wenn Sie die zitierte Arbeit nicht kennen. Hier hilft nur, es zuzugeben und sich für den Hinweis zu bedanken. Dann gehen Sie zur nächsten Frage weiter.
Der Fremdsprachler
Sie haben einen Vortrag vor internationalem Publikum in Englisch gehalten. Im Laufe der Diskussion meldet sich ein Zuhörer, der nur sehr gebrochen Englisch spricht. Aus einer der hinteren Reihen stellt er eine Frage, die Sie nicht verstehen und die wahrscheinlich auch sonst niemand im Saal versteht. Wenden Sie sich an den Sitzungsleiter um festzustellen, ob er vielleicht mehr erfasst hat. Zur Not kann man die Frage noch einmal wiederholen lassen. Wenn der Inhalt auch dann noch immer nicht überkommt, rate ich, auf die schlechte Akustik zu verweisen und dem Fragesteller anzubieten, seine Angelegenheit nach der Veranstaltung direkt mit ihm zu klären.