Wie kam es, dass Prof. Jürgen Smoliner als leidenschaftliche Laborratte und trotz einer gewissen Phobie gegenüber der Erstellung von Literatur dann doch ein Buch, und noch dazu den „Sze“ übersetzt? Von den Herausforderungen einer Fachbuchübersetzung am Beispiel von „Physik der Halbleiterbauelemente“ von S.M. Sze/Yiming Li/Kwok K. Ng berichtet Smoliner für „Science to go“.
Ein Anruf mit Folgen
Das Telefon läutete, ich hob ab und es meldete sich der Wiley-Verlag und fragte: „Hallo, wir machen eine Umfrage. Was halten Sie von einer deutschen Ausgabe des Sze?“ – Ich: „Jede Menge, denn der Sze ist die Bibel der Halbleiterbauelemente, erstmals 1969 erschienen und inzwischen über 55000 Mal zitiert. Den braucht einfach jeder und auch ich habe Halbleiterphysik damit gelernt. Mit seiner komplexen Thematik und dem völlig unbekannten Fachjargon, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, ist er aber für deutschsprachige Studierende und sonstige Halbleiter-Lehrlinge nicht gerade eine Gute-Nacht-Lektüre. Eine deutsche Fassung will daher sicher jeder haben, aber ich prophezeie: Machen will das niemand.“
Nach einiger Zeit stellt sich mal wieder heraus: Ich bin ein guter Prophet. Dann dachte ich mir, gerade nach zwei eigenen Halbeiterphysik-Büchern ist so eine Bibelübersetzung schon eine Sache, die man nicht ablehnen kann, denn dass eine Bibelübersetzung eine lohnende Herausforderung ist, hat uns schließlich die Geschichte gelehrt. Nach der testweisen Übersetzung einiger Passagen bestätigte sich, dass, vermutlich wie bei der richtigen Bibel schon vor knapp 500 Jahren, die Angelegenheit wirklich nicht so einfach ist.
Taiwanesisch – Englisch – Denglisch?
Die Muttersprache von Herrn Sze und seinen Co-Autoren ist Taiwanesisch, was dazu führte, dass eine wörtliche Übersetzung der englischen Ausgabe im Deutschen ziemlich furchtbar klingt. Abhilfe schufen nur deutliche Eingriffe in den Redefluss bis hin zur Übersetzung der Originalquellen an den Passagen, wo es wirklich nicht mehr anders ging. „Denglische“ Formulierungen wurden vermieden, so gut es ging, das englische Fachvokabular ist jedoch an den entsprechenden Stellen im Text eingearbeitet, um so den Gebrauch der englischen Parallelliteratur zu erleichtern. Gelegentliche Anmerkungen im Text und Verweise auf zusätzliche Originalquellen sollten ebenfalls zum besseren Verständnis der Materie beitragen.
Gutes Fachbuch – gelungene Fachbuchübersetzung
Wie schon das englische Original, ist der „Sze“ extrem nützlich als Nachschlagewerk in der industrieorientierten Halbleiterforschung; Es ist aber auch ausgezeichnet geeignet als Einstiegsliteratur in dieses Gebiet für Neulinge oberhalb des Bachelor-Niveaus, und es leistet ebenfalls hervorragende Dienste als Unterrichtsmaterial für Vortragende. Bachelor-Studierende sollten aber, ehe sie sich dem Studium des „Sze“ zuwenden, besser einen Blick in alternative deutschsprachige Halbleiterbücher werfen.
Die ersten vier Kapitel des Buches über die Eigenschaften von Halbleitern, pn-Übergänge, Schottky-Kontakte und MIS-Kondensatoren bieten eine sehr kompakte Wiederholung der Grundlagen der Halbleiterphysik, der grundlegendsten Bauelementeigenschaften, sowie der zugehörigen Formalismen. Die restlichen zehn Kapitel können dann völlig unabhängig davon und in beliebiger Reihenfolge benutzt werden.
Zum Schluss die Antwort auf die Frage „Soll ich diese deutsche Übersetzung nun kaufen oder nicht?“ Lesen Sie ein paar Seiten der englischen Ausgabe, dann stöbern sie ein wenig in der Deutschen Ausgabe, und dann gilt der gute alte Werbespruch einer bekannten deutschen Halbleiterfirma, die heute anders heißt: „Ein Vergleich macht Sie sicher“. Meine Prophezeiung zu diesem Thema: Lange wird die Entscheidungsfindung nicht dauern.
Jürgen Smoliner ist Professor am Institut für Festkörperelektronik der Technischen Universität Wien und Autor der Lehrbücher „Grundlagen der Halbleiterphysik I+II“. Seine Forschungsaktivitäten liegen auf den Gebieten der Charakterisierung von Halbleiter-Bauelementen mit verschiedenen Raster-Sonden-Methoden, sowie bei der Untersuchung des Stromtransports in Halbleiter-Nanostrukturen. Seine Lehrtätigkeit umfasst unter anderem die Vorlesungen Halbleiterelektronik und Nanoelektronik im Master-Studium und die Laborübung Technische Elektronik im Bachelor-Studium Elektrotechnik.
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