
Geboren als Elise Meitner 1878 in Wien, galt Lise Meitner bereits in ihrer Schulzeit als eine Art Physiknerd. 1901 schrieb sie sich an der Universität Wien ein und verfolgte u. a. die Vorlesungen von Ludwig Boltzmann, der sie für die Theoretische Physik begeisterte. Nach ihrer Promotion (1906) ging sie 1907 für „ein paar Semester“ nach Berlin, um Max Planck zu hören – und blieb dort 31 Jahre.
Lise Meitner und Otto Hahn
In Berlin war die Zusammenarbeit mit Otto Hahn für Lise Meitner besonders prägend. So entdeckten sie 1918 gemeinsam Proactinium, ein radioaktives Metall mit der Ordnungszahl 91. 1922 widmete Lise Meitner ihre erste Vorlesung als Habilitierte der „Bedeutung der Radioaktivität für kosmische Prozesse“.
Im Exil
Als Jüdin wurde das wissenschaftliche Arbeiten für Lise Meitner nach 1933 immer schwieriger und schließlich unmöglich. 1938 musste sie aus Deutschland fliehen – zunächst in die Niederlande, später nach Dänemark und Schweden. Gemeinsam mit ihrem Neffen Otto Robert Frisch setzte Lise Meitner ihre Forschungen im Exil fort. Am 11. Februar 1939 erschien eine maßgebliche theoretische Veröffentlichung von Meitner und Frisch zur Kernspaltung. Deren Entdeckung wurde jedoch vor allem mit den experimentellen Arbeiten von Otto Hahn und Fritz Straßmann verbunden. So war es auch Hahn, der den Nobelpreis für Chemie 1944 erhielt, den er 1946 entgegennahm. Lise Meitners wissenschaftliche Arbeiten wurden hier nicht erwähnt.
Vor diesem Hintergrund nahezu grotesk: Nach dem Abwurf der ersten Atombombe im August 1945 wurde Lise Meitner in US-amerikanischen Medien als „Jewish mother of the atomic bomb“ diffamiert. Lise Meitner wies dies kategorisch zurück: „Weder Professor Hahn noch ich selbst haben den leisesten Anteil an der Entwicklung der Atombombe gehabt.“
Späte Anerkennung
Immerhin erfuhr Meitners wissenschaftliches Werk in der Folge späte Anerkennung. Sie erhielt zahlreiche Ehrungen und wurde u. a. in die USA und nach Deutschland eingeladen. Lise Meitner kehrte aber immer wieder nach Schweden zurück, obwohl sie sich dort nie heimisch fühlte. 1960 emigrierte sie schließlich nach Großbritannien, um in Cambridge ihrem Neffen Otto nahe zu sein. 1966 erhielten Hahn-Meitner-Straßmann als Team und erste Nicht-Amerikaner den „Enrico Fermi Award“. Lise Meitner, bereits gebrechlich, konnte ihn nicht persönlich in Empfang nehmen, ihr Neffe Otto tat dies für sie. Am 27. Oktober 1968 starb Lise Meitner.
Als Wissenschaftlerin eine Inspiration
Zusammen mit ihrem Neffen Otto Frisch war Lise Meitner die erste, die die Spaltung von Uran physikalisch nachweisen und die freigesetzte Energie berechnen konnte. Hätte sie nicht 1938 aus Deutschland fliehen müssen, wäre ihre Rolle in der weiteren Erforschung der Kernenergie sicher noch größer gewesen. Als Wissenschaftlerin, die auch unter widrigsten Bedingungen für ihr Recht auf freie Forschung kämpfte, bleibt sie eine Inspiration.
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Abbildung: Denkmal von Lise Meitner im Ehrenhof der Humboldt-Universität zu Berlin © Cora Müller/AdobeStock

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