Entscheidend für Fortgang und Erfolg des Vortrags sind die ersten Sätze. Der oder die Vortragende wird mit Augen und Ohren abgetastet. Meister der Zunft verstehen es dabei, aus den Sekunden, die sie verstreichen lassen bis zum ersten Anheben der Stimme, Kapital zu schlagen; sie nutzen diese „Augenblicke“, um durch Körperhaltung und -bewegung Souveränität auszustrahlen, sie schauen nicht über das Publikum in eine wesenlose Ferne, sondern ins Publikum. Die Art, wie sie die Runde mustern, signalisiert den Zuhörern: „Der hat etwas zu sagen, der will mir etwas sagen.“
Versuchen Sie, mit möglichst ruhiger, Ihrer normalen Stimmlage zu sprechen. Das mit der „normalen“ Stimmlage liest man in Rhetorikbüchern, aber eigentlich ist das eine nicht erfüllbare Forderung. Schließlich ist die Situation nicht normal! Außer wenn Sie vor einem kleineren Zirkel auftreten, werden Sie lauter sprechen müssen als gewohnt, sonst hört man Sie weiter hinten nicht. Oder Sie müssen in ein Mikrofon sprechen, auch das für die meisten eine ungewöhnliche Randbedingung. Die Ruhe in der Stimme allerdings ist eine Sache, die nur Sie selbst betrifft. Leider ist die Stimme verräterisch und nicht immer unter Kontrolle zu halten. Wir haben noch nie jemanden mit den Knien schlottern sehen, aber an nervöse Klangschwingungen erinnern wir uns.
Versuchen Sie, die Zuhörer in Ihre Einführungsworte einzubeziehen. Am Beginn eines Diskussionsbeitrags könnte ein kurzes
„Ich danke der Frau Vorsitzenden und freue mich, an diesem Ort (oder: auf dieser für unser Fach so wichtigen Tagung) über die Ergebnisse meiner Arbeitsgruppe berichten zu dürfen“
stehen. Dann freuen sich alle mit, und sei es nur wegen der Bestätigung, dass sie an einem bedeutenden Ereignis teilnehmen. Eine Anmerkung des Redners wie „Es war heute Vormittag beim Gang durch dieses Institut, an dem ich vor jetzt acht Jahren mein Postdoktorat absolvierte, ein eigenartiges Gefühl, meinen Namen an den Schwarzen Brettern angeschlagen zu sehen“ schafft Atmosphäre und ist überdies eine interessante Information. Wirkungsvoll wäre auch:
„Wie der Herr Vorsitzende schon angedeutet hat, ist mir dieses Institut nicht ganz unbekannt. Ich war ja …“
Damit zeigt der Redner vollends, dass er die Situation im Griff hat.
Wir haben damit einige der „klassischen“ Eröffnungen einer Rede angesprochen: Kompliment, Situationsbezug, Anknüpfen an Vorredner. Es gibt weitere, fast so viele wie beim Schachspiel (einige Beispiele s. Kasten). Wir überlassen es Ihnen, sich Passendes – auch für spätere Stellen Ihres Vortrags – zurechtzulegen. Doch seien Sie vorsichtig:
Wählen Sie einen „Einstieg“, der zu Ihrem Thema, zu Ihren Zuhörern und zu Ihnen passt. Auflockernde Einführungen dieser Art werden zwar gerne aufgenommen, aber sie müssen „sitzen“. Steuern Sie nicht zu sehr vom Thema weg. Und seien Sie besonders vorsichtig bei der „Humor-Eröffnung“ – und allgemein beim Würzen Ihres Vortrags mit geplantem Humor. Versuchen Sie nicht, unter allen Umständen witzig zu sein. Wenn Sie mit Humor auf gutem Fuße stehen, dürfen Sie gerne kurze intelligente Scherze machen, vorausgesetzt, sie bringen den Vortrag weiter. Ihr Witz muss aber für die Zuhörer überraschend sein; altbekannte Witze, witzige Bemerkungen über Abwesende oder witzig gemeinte Pauschalurteile sollten Sie vermeiden. Wenn Sie etwas Witziges sagen (oder vielleicht als Cartoon an die Wand projizieren), warten Sie nicht auf das Lachen und lachen Sie auch selbst nicht mit.
Beispiele für Eröffnungen eines Vortrags
– Tagesbezug, Einbinden aktueller Ereignisse
– Schlagzeile, Bezug auf Meinungsbildner
– Parole, Bezug auf ein gängiges Dogma oder Vorurteil
– Zitat, Ausleihe eines Einfalls (auch: Aphorismus, Sprichwort, Bonmot)
– Anekdote, Erinnern an Fiktives
– Begebenheit, Einflechten von Erlebtem oder Gehörtem
– Historie, Bezug auf Gewesenes
– Begriff, Hinterfragen eines Worts
– Anschauung, Vorzeigen eines mitgebrachten Gegenstands
– Rhetorische Frage, Werben um stillschweigende Zustimmung
– Provokation, Herausfordern des Widerspruchs
– Humor
Es gibt eine Eröffnung, von der wir abraten: die Entschuldigung. Wenn Sie sich für irgendetwas entschuldigen – manche Redner tun dies in fast masochistischer Weise –, laufen Sie Gefahr, sich selbst zu schaden. Man kann Ihre Entschuldigung als Vorwand oder als vorbeugende Maßnahme für den Fall des Versagens deuten, vielleicht machen Sie auch ganz unnötig auf eine Schwäche aufmerksam, die sonst unbemerkt geblieben wäre. Selten sind Entschuldigungsgründe dazu angetan, Sie als Helden und Überwinder erscheinen zu lassen. Und wenn, dann bringen Sie die Entschuldigung lieber später im Vortrag als zur Eröffnung.
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Aus dem Buch:
Ein guter Vortrag ist nicht nur eine Sache der persönlichen Begabung oder Ausstrahlung des Redners. Dahinter steckt mindestens genauso viel harte Arbeit und das nötige Wissen. Dieses Wissen um die beste Vortragstechnik haben die Autoren in unterhaltsamer Form zusammengestellt und schöpfen dabei aus ihrem eigenen reichen Erfahrungsschatz als Redner vor verschiedenstem Publikum.
Die perfekte Vorbereitung für den ersten öffentlichen Vortrag, aber auch „alte Hasen“ werden hier noch viel Neues entdecken.