Die Sinne des Menschen – das Riechen, Schmecken, Sehen, Fühlen und Hören – haben eine fundamentale Rolle bei der Entwicklung der modernen Naturwissenschaften gespielt. Sie waren nicht nur die Antriebskraft für die Neugier der frühen Forschenden seit der Antike, sondern auch die Grundlage für die Entstehung und den Fortschritt verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen.
Sinneserfahrung und Naturwissenschaften
Der menschliche Forschungsdrang wurde von Sinneserfahrungen geleitet. Die Beobachtung und Interpretation von Phänomenen wie dem Sonnenaufgang, dem Geruch von Blumen, dem Geschmack von Nahrungsmitteln, der Empfindung von Hitze und Kälte sowie dem Klang von Tönen und Stimmen waren der Ausgangspunkt für viele wissenschaftliche Untersuchungen. Die frühen Naturforschenden waren davon fasziniert, wie die Sinne Informationen aus der Umwelt aufnehmen und das Bewusstsein formen.
Von reiner Logik zur Empirie
Dabei hatte die Naturphilosophie der Antike wenig zu tun mit den Naturwissenschaften, wie wir sie heute verstehen. Im aristotelischen Weltbild galt es als selbstverständlich, dass man sichere Erkenntnisse nur gewinnt, indem man sie mit Hilfe des reinen Geistes und der reinen Logik aus unhinterfragten, ewig gültigen Wahrheiten ableitet (siehe hier).
Erst mit dem Siegeszug der Empirie seit der Renaissance lässt sich von naturwissenschaftlicher Forschung im heutigen Sinne sprechen. Dabei bedeutet Empirie die systematische Erforschung und Sammlung von Daten durch Beobachtung, Experimente und Messungen, um Theorien zu bestätigen oder zu widerlegen.
Die Grenzen unser Sinneswahrnehmungen
Für viele Beobachtungen reichen die Sinne, die uns Menschen mitgegeben sind, nicht mehr aus. So können wir evolutionsbedingt nur in einem kleinen Wellenlängenbereich sehen und in einem kleinen Frequenzbereich hören. Erst die Erfindung von Geräten und das Erdenken cleverer Versuchsaufbauten erlaubten es, die Grenzen unser Sinneswahrnehmungen zu sprengen und in die Bereiche des Allerkleinsten und Allergrößten vorzudringen – und einige liebgewonnene „Erkenntnisse“ zu widerlegen.
Aristoteles‘ Behauptung etwa, die Mondoberfläche sei komplett glatt, hielt den Beobachtungen mit Galileis Fernrohr nicht stand. Der Belgier Antoni van Leeuwenhoek ermöglichte im 17. Jahrhundert mit dem Mikroskop den Blick ins Kleine jenseits des Auflösungsvermögens unserer Augen und entdeckte damit in Regenwasser das, war wir heute Bakterien und Protozoen nennen. Einen Zusammenhang zwischen Bakterien und Krankheiten herzustellen hat dennoch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gedauert. Zu sehr waren die Wissenschaftler (fast ausschließlich Männer) in alten Vorstellungen gefangen, dass „Miasmen“, giftige Ausdünstungen aus dem Erdreich, für den Ausbruch von Krankheiten verantwortlich seien.
„Wir irren uns empor.“
Dieses Beispiel zeigt auch: Trotz großer Fortschritte in Technik und Wissenschaft haben veraltete und falsche Vorstellungen oft ein erstaunliches Beharrungsvermögen. Und mögen wir Heutigen die (für uns offensichtlichen) Denkfehler und fehlgeleiteten Ansichten der Altvorderen belächeln, so sollten wir uns doch vor jeder Art von Hybris hüten. Die gesicherten Erkenntnisse von heute können morgen leicht lächerlicher Quatsch sein. Und das ist nicht schlimm. Wissenschaftlicher Fortschritt basiert letztlich auf einem nicht endenden Prozess von Versuch und Irrtum. Oder wie der Physiker und Philosoph Gerhard Vollmer es ausdrückt: „Wir irren uns empor.“

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