Orris Root
Wie wir Menschen unsere Welt begreifen, hat historisch betrachtet sehr viel mit unseren unmittelbaren Sinneserfahrungen zu tun sowie mit unserer Erwartung, dass unsere Welt eine geordnete ist. Biblische und andere Schöpfungsmythen haben versucht, die Sinneserfahrung der uns umgebenden Welt im Rahmen einer kosmischen Ordnung zu erklären und so über Jahrtausende unser Weltbild geprägt. Die wissenschaftliche Untersuchung von Naturphänomenen hat in den letzten 500 Jahren dazu geführt, dass unsere etablierten Weltbilder immer wieder in Frage gestellt und ersetzt wurden. Diesen Weg möchten wir hier in groben Zügen nachzeichnen und beginnen dabei mit dem um 300 vor Christus entstandenen und nach dem antiken Philosophen Aristoteles benannten Weltbild, welches für fast 2000 Jahre in Europa und angrenzenden Weltregionen bestimmend war.
Aristotelesches Weltbild

Aristotelisches Weltbild

Die Erde steht im Zentrum des Universums. Es gibt auf der Erde genau vier Elemente (Erde, Wasser, Feuer Luft), die entweder vom Zentrum des Universums angezogen (Erde, Wasser) oder abgestoßen (Feuer, Luft) werden. Objekte bewegen sich aufgrund ihrer Elementeigenschaften oder solange sie von einer äußeren Kraft bewegt werden. Objekte außerhalb der Erde (die aus dem fünften Element Äther bestehen) bewegen sich auf einer perfekten Kreisbahn um das Zentrum des Universums.

Das aristotelische Weltbild verstand sich als auf ewigen Wahrheiten beruhend und versuchte, neue Erkenntnisse allein durch logische Deduktion aus bestimmten Grundwahrheiten zu gewinnen. Empirische Beobachtungen und Experimente wurden damit für den Erkenntnisgewinn überflüssig. Obwohl dieses Weltbild viele Naturphänomene schlüssig erklären konnte, geriet es immer wieder in Konflikt mit der menschlichen Erfahrung. So widerspricht die aristotelische Grundannahme „ein Objekt, auf das keine Kraft einwirkt, bewegt sich nicht“ der alltäglichen Erfahrung, denn ein geworfener Stein fliegt auch nach Verlassen der werfenden Hand weiter durch die Luft.

Die Untersuchung der Ballistik von – ursprünglich aus Stein gefertigten – Kanonenkugeln und andere von der technischen Entwicklung getriebene Experimente zum Wurf- und Fallverhalten führten um das Jahr 1600 zu der Erkenntnis, dass der geworfene Stein durch den Wurf einen Impuls erhält und seine Flugbahn nach dem Abwurf allein durch äußere Kräfte wie Schwerkraft, Wind und Luftwiderstand beeinflusst wird. Oder um mit Isaac Newton zu sprechen: „Ein Objekt, auf das keine Kraft einwirkt, verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung.“

Gemeinsam mit vielen weiteren Erkenntnissen, die sich aus den Beobachtungen der Himmelskörper ergaben, hat diese Erfahrung schließlich zur Aufgabe des aristotelischen Weltbilds geführt. Als Namensgeber für das neue, auf empirischer Forschung beruhende Weltbild dient kein Philosoph, sondern der Naturwissenschaftler und Mathematiker Isaac Newton.

Newtonsches Weltbild

Newtonsches Weltbild

Die Erde steht nicht im Zentrum des Universums, sondern bewegt sich wie andere Planeten in einer elliptischen Bahn um die Sonne. Es gibt mehr als 100 Elemente, die sowohl auf der Erde als auch im übrigen Universum vorkommen. Objekte bewegen sich nicht aufgrund ihrer Elementeigenschaften, sondern werden durch äußere Faktoren (Kräfte) beschleunigt oder abgebremst.

Das Newtonsche Weltbild etablierte die experimentell-empirische Forschung als den einzig möglichen Weg zu neuer Erkenntnis und führte zu einer beschleunigten Entwicklung von Naturwissenschaft und Technik. Als die experi­mentellen Methoden jedoch immer genauer wurden, traten ab dem Ende des 19. Jahrhunderst die ersten Schwachstellen im Newtonschen Weltbild zutage, zum Beispiel bei der Entdeckung, dass im Universum keine höhere Geschwindigkeit als die des Lichts möglich ist, oder dass sich Teilchen im atomaren Maßstab manchmal wie Wellen verhalten. Beide Beobachtungen sind mit dem Newtonschen Weltbild nicht vereinbar und führten schließlich zu einem neuen Weltverständnis, welches mithilfe der Relativitätstheorie und der Quantentheorie die neuen Beobachtungen schlüssig beschreiben kann.

Quantenmechanisches Weltbild

Quantenmechanisches Weltbild

Raum und Zeit bilden ein Kontinuum und können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Masse und Energie sind äquivalent und in einem festen Verhältnis ineinander umwandelbar. Energie ist nicht kontinuierlich, sondern besteht aus diskreten Anteilen (Quanten). Die Grundbausteine der Materie sind in Zeit und Raum verschmiert und können nur in Form von Wahrscheinlichkeiten beschrieben werden.

In diesem relativistisch-quantenmechanischen Weltbild erscheint die Newtonsche Physik auf den ersten Blick wie eine vereinfachte Näherung, die bei Objektgrößen und Geschwindigkeiten, mit denen wir als Menschen üblicherweise konfrontiert sind, so wenig von der Realität abweicht, dass sie für die Beantwortung der meisten Fragestellungen ausreicht. Aber stimmt das auch? Oder sind wir wie vor uns die aristotelisch geprägten Menschen Gefangene unserer erlernten Vorstellung und stehen gerade vor einer neuen wissenschaftlich-technischen Revolution, in der die Quantentechnologie völlig neue Möglichkeiten eröffnet? Finden wir es heraus!

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